Eine wahre Waldbegegnung mit Lerneffekt für alle

Heute Nachmittag im Wald. Die Brut- und Setzzeit ruft: „Leinenpflicht für alle!“ – und wir halten uns selbstverständlich daran. Dies bedeutet für die meisten Hunde auch: Keine Kontakte zu Artgenossen an der Leine. Für viele Hunde eine Erleichterung. Für andere eine frustrierende Geduldsprobe. Vorbeigehen an Artgenossen, ohne hinzustürmen – das ist Training, das ist Selbstbeherrschung, das ist… Alltag.

Wir schlenderten also durch den Wald, als uns auf dem schmalen Weg eine junge Frau mit einem jungen Hund entgegenkam. Ich wechselte auf die abgewandte Seite, nahm meine beiden Hunde auf meine Höhe, alles ganz entspannt.

Doch aus der Ferne vernahm ich plötzlich wiederholte Zischgeräusche. Irritierend, denn meine Aufmerksamkeit lag bereits voll bei meinen beiden. Schon auf 30 Metern erkannte ich: Der fremde Hund war überfordert. Er blieb stehen, wurde steif. Die Halterin nahm ihn kürzer an die Leine – und wollte ihn an ihrer Seite an uns vorbeiführen. Zischend.

Was ich dann sah, hatte ich nicht erwartet: In ihrer Hand – eine Wasserpistole. Bereit zum Einsatz. Zisch. Ziel anvisiert. Zisch. Hund starr. Zisch.

Ich schreibe diesen Blogpost, weil ich mir wünsche, dass wir als HundehalterInnen besser hinschauen. Und weil ich hoffe, Menschen zu erreichen, die solche Methoden (wie Zischen und Wasserpistolen) im Training einsetzen. Denn ich sage dir ganz klar: So kann dein Hund nicht lernen.

Dieser junge Hund hat ganz deutlich gezeigt, dass er sich in der Situation unwohl fühlt. Er hat kommuniziert: «Ich bin überfordert!» – und wurde übergangen. Statt Hilfe kam Druck. Statt Sicherheit kam Zischen. Statt Unterstützung kam Wasser.

Was hätte helfen können?
➡️ Den Hund auf die abgewandte Seite nehmen.
➡️ Kurz stehen bleiben, damit er nicht gleichzeitig laufen und beobachten muss.
➡️ Ansprechen, loben, Blickkontakt fördern.
➡️ Ruhiges Verhalten belohnen.

Denn Lob wirkt! Es schüttet bei Hunden unter anderem Dopamin und Oxytocin aus – Glücks- und Bindungshormone. Genau das, was wir wollen: ein Hund, der sich sicher fühlt, sich freut, dir vertraut. Und ein Mensch, der sagt: «Gut machst du das!»

Mit Druck, Strafe oder Verunsicherung (egal ob Zischlaut, Leinenruck oder Wasserpistolenschuss) lernen Hunde vor allem eines: Der Mensch ist unberechenbar.
Und damit entsteht leider häufig das, was wir so oft sehen: Leinenaggression, Misstrauen, Stressverhalten.

Dabei ist es gar nicht schwer: Wenn du deinen Hund wirklich führen willst, dann zeig ihm, dass du in brenzligen Situationen bei ihm bist. Mach Abstand, geh in Sicherheit, übernimm Verantwortung, bleib ruhig – und lobe.

Denn Hunde, die sich auf ihren Menschen verlassen können, brauchen keine Eskalation. Sie wissen: Mein Mensch regelt das. Ich darf Hund bleiben. Ich darf lernen.

Und an alle, die meinen, Hunde müssten «funktionieren»: Nein, müssen sie nicht. Sie müssen sich sicher fühlen. Der Rest kommt mit der Zeit.

Herzliche Grüsse aus dem Wald,
Miriam von Hundereich

PS: Lass uns gemeinsam zu besseren Sozialpartnern für unsere Hunde werden. Und ja, das geht auch ohne Zischen und Wasserpistole.