Neulich las ich auf der Website einer freundlich arbeitenden Hundeschule, wie sich die Menschen verhalten sollen, wenn ihr Hund einen Schlag vom Elektrozaun abbekommen hat. Da stand nämlich folgendes:

«Sofort Gegenkonditionieren, Markersignal oft wiederholen (Clicker- Gewitter) und viel und lange Belohnen „Leckerliregen“, tolles Spiel etc.»

Ich möchte hier einen anderen Weg einschlagen und hoffe, dem einen oder anderen hilft dieser Ansatz in der Hoffnung, dass kein Hund aus Panik so weit rennt, dass er sich und/oder andere verletzt. Denn was mir bei diesem Ansatz gefehlt hat, ist ein souveränes und ruhiges Verhalten vom Menschen. Vergessen wir nie, dass unsere Hunde uns vertrauen und sich an uns orientieren.

Und daher finde ich, ist es mit ein paar Leckerli und dem Clicker nicht getan. Es passiert ganz oft, dass wir mit Belohnungen ein Verhalten beim Hund verändern wollen und dabei unsere eigene Körpersprache komplett ausblenden. Da sehe ich z.B. Menschen, die dem Hund beibringen wollen, ihre Beute (Futterbeutel, Spielzeug etc.) mit ihnen zu teilen bzw. ihren Menschen abzugeben, hierfür soll man den Clicker betätigen, wenn der Hund den Gegenstand aus dem Fang fallen lässt, die Menschen beugen sich gleichzeitig bedrohend direkt von vorne über ihre Hunde. Ich finde solche Vorgehensweisen immer sehr technisch und unsere Hunde, die Meister der Körpersprache lassen durchaus mit sich reden. Sie schätzen es sehr, wenn wir ihre Sprache verstehen und selber auch anwenden.

Nun zum Elektrozaun. Vielleicht habt ihr keine Leckerli dabei? Vielleicht erschreckt ihr euch mindestens so sehr oder noch mehr als euer Hund, der vielleicht aufheult und wie vom Blitz getroffen weg rennt? Nein, der Griff in die Leckerlitasche sollte meiner Meinung nach nicht der erste Gedanke sein sondern viel mehr ruhiges Verhalten von euch. Ist der Hund angeleint, ermöglicht es ihm, sich dorthin zu bewegen, wohin er möchte. Etwas weiter weg vom Elektrozaun könnte sein. Rennt nicht mit ihm weg, nehmt Tempo raus. Zupft nicht an der Leine rum aber hält sie gut fest. Lasst den Hund wählen, gebt ihm diese Möglichkeit. Bleibt er stehen? Bleibt neben ihm, beobachtet ihn. Gibt ihm Zeit sich zu erholen, gebt ihm Raum für seinen Schock, er darf und soll verarbeiten. Wir müssen das Erlebnis nicht gegenkonditionieren, unsere Hunde sind emotionale Geschöpfe, keine Roboter die man umpolen soll. Zudem fressen viele Hunde in so einem Schreckmoment schlichtweg nichts. Angst lähmt und jeder noch so verfressene Hund kann in diesen Sekunden, Minuten ein Futterverweigerer werden. Nimmt er das Futter aber zögerlich, wird zudem das Futter abgewertet, denn seine Emotionen sind nicht in der Stimmung für eine Futteraufnahme, die Adrenalinausschüttung sorgt hier für einen Dämpfer.

Ich beobachte sehr oft, dass wir Menschen den Hunden viel zu wenig Zeit geben, sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Sei das ein Objekt, das sie seltsam finden und aus diesem Grunde länger schauen wollen oder auch bei Hundebegegnungen. Bei letzterem wird oft bereits nach ein paar Sekunden von Menschenseite nervös an der Leine rumgezupft. Man möchte weitergehen, es wird unangenehm, vielleicht sogar peinlich. Auch hier lockt man mit Leckerli oder belohnt, wenn der Hund seinen Menschen ansieht. Warum ist die Auseinandersetzung des Hundes mit seiner Umwelt so unerwünscht? Es sind genau diese Defizite, die unsere Hunde oft unsicher werden lassen. Sie werden aus einem Beobachtungsprozess rausgerissen. Was uns seltsam erscheint, wollen wir genauer anschauen – uns Menschen geht es da nicht anders. Es macht innerlich zufrieden, wenn man in Ruhe zu Ende schauen darf.

Verarbeiten vom Elektrozaunschlag. Gebt hier bitte Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten. Was ist hier geschehen? Hat der Hund einen ruhigen Pol an seiner Seite, wird er sich an euch orientieren und erkennen, dass nicht noch mehr geschieht, das schlecht oder schmerzhaft ist. Viele Hunde sind noch viele Minuten lang etwas verhalten und wirken durcheinander. Sichert eure Hunde mit der Leine, geht den Weg gemeinsam nach Hause. Den Hund an der Leine führen ist für mich immer wie Händchen halten. Eine sichere Führung. Ihr werdet spüren, wenn der Hund wieder selbstsicher unterwegs ist. Seine Ohrenhaltung verändert sich, die Rute ebenfalls, der Gang wird wieder weicher. Ihr dürft mit euren Hunden sprechen. Sie verstehen die Worte nicht aber die Energie, die in euren Worten mitschwingt, verstehen sie sehr wohl, Hunde sind sehr soziale Tiere, sie gehen eine tiefe Bindung mit euch ein. Sagt ihnen mit freundlich ruhiger Stimme, dass nun alles gut ist. Es war ein unschöner Moment, hätte nicht sein sollen aber es wird alles gut. Wählt ihr nette Worte, ist die Energie positiv die ihr aussendet. Oder habt ihr schon mal freundlich mit einem Mitmenschen geschimpft? Geht nicht oder? Der Ton macht die Musik. Hat sich der Hund beruhigt, darf man auch mal in die Leckerlitasche greifen. Vielleicht ein paar Leckerli auf einer schönen Wiese streuen und den Hund suchen lassen, wenn er mag? In aller Ruhe und ohne ein Kommando, das er warten muss. Werft eine kleine Handvoll und lasst die Hunde suchen. Und wenn die Möglichkeit besteht, geht den Weg wieder mal, dort wo der Hund Kontakt zum Elektrozaun hatte. Leint ihn – noch bevor er realisiert, dass es in diese Richtung geht – am besten an und geht ruhig und entspannt den Weg entlang. Möchte er stehen bleiben und schauen, lasst es zu. Lasst ihn das Tempo bestimmen und führt ihn sicher an diesem Stück Weg entlang. Eine freundliche und ruhige Körperhaltung vermittelt Sicherheit. Kein Leckerli der Welt kann dies ersetzen. Lebt mit euren Hunden, statt sie zu konditionieren.

BeforeAfter